V.l.: DI Dr. Willi Haas, Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand, MMag. Dr. Melanie Pichler

Bei einer Mitte September in Wien abgehaltenen Pressekonferenz stellte das Wissenschaftsnetzwerk „Diskurs“ die Position der Wissenschaft zur österreichischen Umwelt- und Klimapolitik vor. Diese wurde vor kurzem auch in einem Referenzplan zum nationalen Energie- und Klimaplan vorgelegt.

Die österreichische Klima- und Umweltpolitik weist deutliche Defizite aus. So ist sie etwa viel zu stark an den Interessen von Konzernen orientiert und bis dato sind trotz deutlicher Forderung der Zivilgesellschaft keine wirklich großen Änderungen in Aussicht. Auch die Wissenschaft wird bisher zu wenig in den Prozess einbezogen. Aus diesem Grund hat sich „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ gegründet – ein Netzwerk an WissenschaftlerInnen, die mit ihren Erkenntnissen und Empfehlungen an die Öffentlichkeit gehen.  Bei einer Pressekonferenz im Wiener Café Stein Mitte September waren sechs renommierte WissenschaftlerInnen aus unterschiedlichen Fachbereichen zugegen, um ihre jüngsten Erkenntnisse vorzustellen. Gemeinsam wurden die gesellschaftspolitischen Gründe analysiert, warum die österreichische Klimapolitik von so großen Blockaden geprägt ist.

In seiner Einführung erklärte  Dr. Ulrich Brand, Professor am Institut für Politikwissenschaft, ganz deutlich, dass der Rückbau bestimmter Branchen, etwa der Automobilindustrie, unumgänglich ist. In der Politik fehle es hierfür jedoch an Problembewusstsein, und somit auch an wirksamen Strategien, die das Übel an der Wurzel bekämpfen – man bliebe lieber  im „sicheren“ Bereich anstatt gegen die Expansion der Wirtschaft zu steuern. Der notwendige sozial-ökologische Umbau werde somit verhindert.

DI Dr. Willi Haas vom Institut für Soziale Ökologie (Universität für Bodenkultur) warf einen Blick in die Vergangenheit und erklärte, dass die Zusammenlegung des 1972 gegründeten Umweltministeriums mit unterschiedlichen Ressorts den Handlungsspielraum für Umwelt und Klima mit der Zeit sukzessive eingeengt hat. Während in der „naiven“ Umweltpolitik noch viele Themen auf den Tisch kamen, würden heute die Interessen von bestimmten Gruppen viel zu sehr geschützt. Anstatt weiterhin am Ende herumzudoktern, seien vielmehr die gesamten Prozesse zu betrachten. Wenn wir auf das Klimaproblem antworten, müssen wir Sozialpolitik machen – eine Feststellung, die RepaNet nur unterschreiben kann.

Kreislaufwirtschaft im Referenzplan zum NEKP

Univ.-Prof. Dr. Sigrid Stagl ging dann genauer auf das Pariser Klimaabkommen und die erforderlichen Schritte zur Erreichung der Ziele ein. Hier gibt es eine internationale Dimension sowie auch eine nationale; letztere wird im Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) manifestiert. Der aktuell von der EU-Kommission bis Ende 2019 geforderte NEKP hat von österreichischer Seite viele Defizite. Um die Überarbeitung des österreichischen NEKP zu unterstützen haben WissenschaftlerInnen einen Referenzplan veröffentlicht, der sich an den Pariser Klimazielen orientiert und neun Rahmenmaßnahmen beinhaltet. Als wesentliche Maßnahme wird u. a. der Umbau zur Kreislaufwirtschaft genannt. Dr. Haas fügte jedoch hinzu, dass dieser Wechsel nur funktionieren könne, wenn es auch eine sozialökologische Steuerreform gibt. Dieser Forderung schließt sich RepaNet an: Arbeit muss weniger besteuert, und ressourcenschonende Praktiken wie Re-Use und Reparatur vermehrt gefördert werden.

Auf die Frage, wie man verhindern könne, dass noch mehr CO2-Produktion aus Österreich ausgelagert werde, nannte Stagl die Notwendigkeit von internationaler Koordinierung und von einer Koordination mit der Entwicklungspolitik.

Nachhaltige Infrastruktur, Miteinbeziehung von Zivilgesellschaft

Ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Novy (Institut für Multi-Level-Governance und Entwicklung, WU Wien) betonte die Notwendigkeit von passenden Institutionen und Infrastrukturen, um unsere Routinen in eine nachhaltige Richtung zu lenken. So muss etwa nachhaltiger öffentlicher Verkehr ausgebaut werden, während das Wachstum anderer Infrastrukturen eingebremst wird. Ein Beispiel in Kürze: Anstatt eine dritte Flughafenpiste in Schwechat zu schaffen, sollte verstärkt in einen Ausbau der Bahn investiert werden.

MMag. Dr. Melanie Pichler (Institut für Soziale Ökologie, BOKU Wien) zeigte auf, wie die türkis-blaue Klima- und Umweltpolitik in Österreich zu einer Entdemokratisierung geführt hat, indem sie die Mitsprache der Zivilgesellschaft eingeschränkt hat. Beispiele sind die durch das Standortentwicklungsgesetz ermöglichte Beschleunigung von Genehmigungsverfahren: Kritik von Umweltorganisationen, Wissenschaft oder Bevölkerung werden dadurch erschwert. Hier brauche es unbedingt eine bessere Einbindung der Gesellschaft in Entscheidungsprozesse.

Univ.-Prof. Dr. Patrick Sakdapolrak (Institut für Geographie und Regionalforschung, Universität Wien) brachte die entwicklungspolitische Sichtweise ein. So müsse Klimapolitik auch immer internationale Entwicklungspolitik sein und die Bedürfnisse der Länder des Globalen Südens miteinbezogen werden. (Ähnlich fordert die AG Rohstoffe eine entwicklungspolitisch kohärente Rohstoffpolitik.)

Angesichts dieser vielen Defizite ist dennoch eine Rückkehr zu einer Politik der Gestaltung wichtig – denn mit einer Hinwendung zu positiver Motivation lässt sich mehr erreichen. Ein Vorschlag Pichlers ist deshalb eine deutliche Arbeitszeitverkürzung – denn durch weniger Arbeit wird unser Klima geschont. RepaNet hält die Reduzierung von Jobs, die zur Umweltbelastung beitragen, und im Gegenzug die vermehrte Schaffung und Förderung von ausreichend ökologischen und fairen Jobs für ein wirkungsvolles Mittel in diesem Zusammenhang.

Mehr Infos …

Link zum Referenz-Nationaler Klima- und Energieplan

Einladung zur Pressekonferenz (Presseaussendung auf APA-OTS)

Pressemappe vom Diskurs-Netzwerk

Review auf der Website der Universität Wien

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