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Wird die Kreislaufwirtschaft wirklich die von der EU-Kommission prophezeiten hundertausenden neuen Arbeitsplätze schaffen? Aus RepaNet-Sicht ist das durchaus realistisch: Mit der Förderung der Kreislaufwirtschaft und dem wachsenden Umweltbewusstsein werden neue Dienstleistungsbereiche dazukommen und bestehende wachsen. So werden etwa Reparaturen, Produktpflege und Instandhaltung relevanter werden. Innovative Produkt-Dienstleistungen wie Verleih, Sharing-Economy, Re-Manufacturing und weitere werden dazukommen. Anhand aktueller Vergleiche schätzt RepaNet allein in der österreichischen Re-Use-Branche das Potential auf 2.600 zusätzliche Jobs.

Die Autorinnen eines Artikels im Online-Magazin „Politico“ hingegen verorten die Jobmöglichkeiten in der Kreislaufwirtschaft fast ausschließlich im Abfallwirtschaftsbereich und insbesondere im Recycling. Sie sind dabei wohl der Idee gefolgt, dass Kreislaufwirtschaft mit Wachstumskritik oder besser mit Degrowth gleichzusetzen ist, die Wirtschaft also schrumpfen muss. Dabei ist der eigentliche Kern der Kreislaufwirtschaft, das Wachstum vom Ressourcenverbrauch loszulösen. In der Kreislaufwirtschaft soll Wachstum nicht um seiner selbst Willen verfolgt werden, sondern zur Förderung des Gemeinwohls. Dazu gehören würdige Arbeitsmöglichkeiten, Schutz des Lebensraumes, leistbare Produkte. Anstatt Dinge wegzuwerfen, weil sie nicht mehr der Mode entsprechen oder einen Defekt haben, soll es möglich sein, sie zu reparieren. Die Hersteller selbst sollen Anreize erhalten, ihre Produkte so zu gestalten, dass sie länger halten. Sepp Eisenriegler, R.U.S.Z-Geschäftsführer und RepaNet-Vorsitzender, gab dazu einmal das folgende Beispiel: „Wenn die Waschmaschinenhersteller ihre Geschäftsmodelle so umstellen würden, dass sie ihre Produkte vermieten und nicht verkaufen, hätten sie selbst Interesse daran, dass die Geräte möglichst lange halten und repariert werden können.“

Die Anreize für eine solche Entwicklung sind aber aktuell nicht gegeben, deshalb lobbyiert RepaNet gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen dafür, dass die Politik die Rahmenbedingungen schafft. Dazu hat RepaNet die Plattform Circular Futures mitbegründet.

In der Kreislaufwirtschaft wird die Reparatur zur Wachstumsbranche

Die Autorinnen des oben erwähnten Artikels kritisieren, dass die Jobs, die die EU-Kommission zur Kreislaufwirtschaft zählt, zu 76 % zur Reparatur und Instandhaltung zählen. Dies seien in ihren Augen keine Wachstumsbranchen. Sie untermauern das mit dem Argument, dass der Reparatursektor in den Jahren 2011-2015 in Europa um nur 3,8 % gewachsen ist. Aus RepaNet-Sicht liegt es aber vor allem an den fehlenden Maßnahmen und Anreizen, dass noch immer die Wegwerfmentalität vorherrscht und die Reparatur- und Re-Use-Branche in den Augen der KonsumentInnen nur schwer mit billigen, aber kurzlebigen Produkten mithalten kann. Aktuell fehlen in Österreich und ganz Europa die geeigneten Regelungen oder sie werden nur kleinräumig eingesetzt (z.B. in Graz und Oberösterreich).

Zu den Maßnahmen gehört unter anderem eine ernsthafte Ökodesignrichtlinie. Das heißt, Produkte sollen grundsätzlich und wenn das möglich ist, so designt werden, dass sie möglichst lange halten, repariert werden können und Ersatzteile müssen entweder standardisiert oder für einen gewissen Zeitraum und zu vertretbaren Preisen verfügbar sein. Das könnte zum Beispiel heißen, dass sich die Industrie auf gewisse Standards einigt, wie das etwa vor wenigen Jahren bei den Ladekabeln von Handys geschehen ist. 2009 startete die EU-Kommission eine Kampagne für standardisierte Ladeanschlüsse, um gegen den unnötigen Elektroschrott vorzugehen, der entstand, weil man für Handys verschiedener Marken und teilweise sogar verschiedene Gerätegenerationen von derselben Marke unterschiedliche Ladekabel brauchte. 2011 erklärten sich mehrere Mobiltelefonhersteller freiwillig bereit, gemeinsam einen solchen Standard zu entwickeln.

Re-Use-Branche schon jetzt wichtiger Arbeitgeber

Neben der Ökodesignrichtlinie wären Re-Use-Quoten besonders dazu geeignet, die Kreislaufwirtschaft anzukurbeln. In der belgischen Region Wallonien wurde 2017 eine solche Quote festgelegt (RepaNews hat berichtet), Spanien tat dies bereits 2015 (RepaNews hat berichtet), Flandern hat bis 2022 das Ziel, 7 kg pro Einwohner Re-Use-Ware über die Kingwinkel-Shops wieder in Verkehr zu setzen (RepaNews hat berichtet). Die EU-Institutionen konnten sich in der Abfallrahmenrichtlinie nicht dazu durchringen, aber zumindest müssen die Re-Use-Zahlen in Zukunft separat erhoben werden. (RepaNews hat berichtet.)

Für Österreich hat RepaNet im Tätigkeitsbericht 2017 berechnet, dass es hierzulande ein Potential von 2.600 zusätzlichen Re-Use-Jobs gibt. Berechnet wurde das aus dem Vergleich mit Flandern: Wenn Österreich eine gleich hohe Re-Use-Quote erreicht, nämlich durchaus realistische 1 % der Siedlungsabfälle, könnten bei den derzeitigen Gegebenheiten 2.600 neue Jobs geschaffen werden. Dabei ist der Bausektor noch nicht einmal einkalkuliert. Der Bau-Re-Use-Markt muss in Österreich erst entwickelt werden. Daran arbeitet aktuell BauKarussell, an dem auch RepaNet beteiligt ist.

Mehr Infos …

Politico: Hope for circular economy jobs could be a waste (Englisch)

Webseite Circular Futures

RepaNews: Ermutigende Grazer Reparaturförderung

RepaNews: Oberösterreich bietet als erstes Bundesland Reparaturförderung an

Cool Products: Europe revives plans for energy and resource efficient products – for now (Englisch)

EU-Kommission: One mobile phone charger for all campaign (Englisch)

RepaNews: Wallonien setzt Re-Use-Ziele für Elektrogeräte fest

RepaNews: Spanien: Re-Use-Quoten für Elektrogeräte

RepaNews: EU-Abfallwirtschaftspaket mit gestärkter Rolle für Re-Use beschlossen

BauKarussell