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Im Februar wurde die europäische Norm EN45554 veröffentlicht. Diese unscheinbare Nummer bedeutet einen Meilenstein für die Reparaturbewegung: erstmals gibt es einen allgemeinen Standard zur Messung der Reparaturfreundlichkeit von elektrischen und elektronischen Produkten.

Das wirtschaftliche Wachstumscredo treibt uns immer schneller an die Grenzen und muss dringend durch eine neue Form des Wirtschaftens durchbrochen werden. Das zeigt uns auch die aktuelle Krise. Um unsere Ressourcen zu schonen, müssen wir wieder dazu übergehen, möglichst langlebige Produkte zu produzieren, diese bei Gebrechen zu reparieren und lange zu verwenden. Damit auch die Industrie in Zugzwang gerät, ist es Aufgabe der politischen EntscheidungsträgerInnen, nicht reparierbare Produkte zu verbieten und im Gegenzug langlebige Produkte zu promoten und für KonsumentInnen klar erkennbar zu machen.

Arbeitsgruppe entwickelte Reparaturstandard

Bisher hat jedoch ein wichtiger Baustein in diesem Puzzle gefehlt: eine allgemein akzeptierte Methode zur Messung der Reparierbarkeit von Produkten. In den letzten drei Jahren hat sich eine Arbeitsgruppe, bestehend aus VertreterInnen der Zivilgesellschaft Politik, Administration und Industrie an die Entwicklung dieses Standards gemacht. Auch RepaNet-Vorsitzender und R.U.S.Z-Geschäftsführer Sepp Eisenriegler war Teil der Arbeitsgruppe und hatte dort gute zwei Jahre den Vorsitz inne. In dem Artikel Fixers know what „repairable“ means – now there’s a standard for it wird der lange, steinige Weg hin zu dieser bahnbrechenden Norm aus der Sicht von iFIXit beschrieben; denn in der Arbeitsgruppe trafen sehr unterschiedliche Interessen aufeinander. Der intensive Einsatz der Reparaturbewegung hat sich schließlich bezahlt gemacht.

Sammlung von Kriterien und Methoden zur Bewertung

Im November 2019 wurde der finale Text, und damit der offizielle Standard für Reparaturfreundlichkeit, angenommen. Die europäische Norm EN45554 beschreibt nun „allgemeine Methoden zur Bewertung der Fähigkeit, energiebezogene Produkte zu reparieren, wiederzuverwenden und aufzurüsten“. Sie ist eine Sammlung von Kriterien und Methoden, aus denen je nach Produkt eine Auswahl getroffen wird. Die Dimensionen der Reparierbarkeit sind zum Teil Eigenschaften des Produkts selbst, wie z.B. die Art der Verbindungselemente und die zur Demontage des Produkts erforderlichen Werkzeuge. Einige beziehen sich auf den KundInnendienst, wie z.B. Unterstützung bei der Fehlersuche oder die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Informationen. Sämtliche Aspekte wurden schließlich in eine Formel gegossen, die eine Reparierbarkeitsbewertung zulässt.

Breite gesetzliche Verankerung & Integration in öffentliche Beschaffung

Damit liegt der EU nun ein allgemein akzeptiertes Dokument vor, das eine Hierarchie der Reparaturmöglichkeiten festlegt, und Hindernisse bzw. Begünstigungen für Reparatur klar identifiziert. Es ist ein wirklich großer Erfolg der Bewegung Pro-Reparatur. In weiteren Diskussionen soll nun festgelegt werden, wie diese allgemeinen Grundsätze auf bestimmte Produkttypen anzuwenden sind und wie die verschiedenen Kriterien für jedes Produkt abgewogen werden sollten.

Nun muss dieser Standard möglichst breit gesetzlich für alle Produkte verankert werden. Und auch im Bereich der öffentlichen Beschaffung muss er als bindendes Kriterium eingeführt werden: öffentliche Ausscheibungen für die Beschaffung von Gütern müssen diesen Standard verlangen, mit einer möglichst hohen Stufe und einer möglichst hohen Gewichtung in der Angebotsbewertung. Das sollte etwa von Gemeinden möglichst rasch in die Praxis umgesetzt werden.

Mehr Infos …

iFIXit: Fixers know what „repairable“ means – now there’s a standard for it

rusz.at: Keine Ausreden mehr – EU-Standardisierung sorgt für genormte Reparierbarkeit

RepaNews: Reparatur ist systemrelevant und muss jetzt gefördert werden

RepaNews: Mehr Resilienz durch ein Recht auf Reparatur

RepaNews: RepaNet ist Teil der „Right to Repair“-Koalition

RepaNews: Re-Use und Reparatur im türkis-grünen Regierungsprogramm